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Modellbau |
mini-sail e.V. |
mb-10-09.htm;
09.2009
Tourendrachen "NEPOMUK" - mit Spinnaker
Baubericht von Uli Schramm

Seit einiger Zeit tüftele ich
an Spinnaker-Systemen für Modellsegelboote.
Mindest-Anforderungen:
- Setzen und Bergen
- Einziehen unter Deck
- Ausbaumen und Shiften / Halsen
Meine Gaffelkutter-Yacht
"Mystery" segelt bereits erfolgreich mit einem Spinnaker, der diese
Bedingungen erfüllt (Siehe auch "MODELLWERFT" Januar 2006).
Allerdings ist es ein System, bei dem - wie bei Gaffelseglern üblich - der
Spinnaker nicht ganz nach vorne, über den Bug hinaus steht,
sondern seitlich. Der Einzug ("Trompete") befindet sich somit auch
nicht vor dem Vorstag (wie bei hochgetakelten Segelbooten), sondern unmittelbar
vor dem Mast.
Klar, dass irgendwann der
Wunsch aufkam, nun auch einen "normalen" Spinnaker zu konstruieren;
also: hochgetakeltes Boot, Trompete vor dem Fock-Vorstag und der
"Ballon" richtig nach vorne auswehend; die Fock/Genua müßte als Rollfock ausgebildet
sein, um sie bei stehendem Spinnaker einrollen zu
können.
Als Boot hatte ich zunächst
einen Schärenkreuzer im Sinn: Im Verhältnis zum Rigg ein sehr langer Rumpf; das
Fock-Vorstag ist nicht an der Bug-Spitze, sondern ein gutes Stück
zurückgesetzt, so dass davor noch gut Platz für den Spin-Einzug ist. Allerdings
sind Schärenkreuzer relativ schmal, so dass nur wenig Platz (und auch wenig
Auftrieb) für die Innen-Mechanik zur Verfügung stünde. Ein Modellbaukollege
brachte mich auf die Idee, einen "Drachen" zu bauen: der sieht so
ähnlich aus wie ein Schärenkreuzer, ist aber wesentlich breiter. Von ihm bekam
ich dann auch einen Bauplan und einen Spantensatz für
einen sog. "Tourendrachen", Maßstab 1:5, 180 cm Rumpflänge, ca. 16 kg
Verdrängung; ideal für meine Vorstellungen (eine Schäre hätte bei gleicher
Rumpflänge nur etwa 12 kg auf die Waage gebracht).
Dank der guten
Modell-Konstruktion des Drachens und der sauber gelaserten Spanten ging der
Rumpf-Bau zügig und ohne Probleme vonstatten. Allerdings mußte
ich, wegen der Zugänglichkeit und Wartungsmöglichkeit der einzelnen
"Innereien", einige Decks-Luken mehr einplanen, als im Bauplan
vorgesehen. Auch habe ich - nach dem Prinzip "Trial and
Error" - immer wieder Wantenpositionen,
Rollfock-Mechanik, Hebel für Endabschaltungen usw. verändern müssen, so dass
der ursprünglich so schöne Mahagoni-Rumpf, besonders das Deck, inzwischen doch
die ein oder andere Blessur aufweist. Mein Modellbau-Kollege möge mir darum
verzeihen, dass "mein" Tourendrachen nun nicht mehr so makellos ist
wie sein Bauplan.
Der Rumpf wurde mehrere Male
mit Bootslack gestrichen, dann bekam der Kiel seine Füllung mit etwa 8 kg Blei
- nach und nach, in Portionen von etwa je 0,5 kg. Das Boot stand während des
Gießens im Wasser, so dass das flüssige Blei schnell abkühlte und keinen
Schaden anrichten konnte - auch wenn es zwischenzeitlich verdächtig nach
verkohltem Holz roch.
Bevor der Rumpf dann Deck, Luken und Kajüte bekam, mußte
das Spinnaker-System konzipiert, konstruiert und getestet werden.
Der Grundgedanke: ein "zweigeteilter" Spi-Baum; genauer gesagt: zwei
Spi-Bäume, jeweils drehbar gelagert, wobei die Wanten-Püttings
(Backbord und Steuerbord) gleichzeitig als "Baum-Dreh-Achse"
fungieren. Soll der Spi nach Backbord ausgebaumt werden, wird er Backbord-Baum
herausgeklappt, das Bb-Schothorn des Spi's rutscht an einem Befestigungs-Ring bis zur Spi-Baumnock nach "außen". Gleichzeitig wird der
Steuerbord-Baum wird um die Wante herum nach hinten
gezogen, bis er auf Deck liegt. Das Stb-Schothorn des
Spi's rutscht am Befestigungsring "nach
vorne". Der Spi "steht" nun mit folgenden Haltepunkten:
Backbord-Schothorn an Spi-Baumnock
ausgebaumt, Stb.-Schothorn
an Deck an der Wante/Pütting,
Topp-Schothorn am Mast über dem Vorstag.
Das Steuerbord-Ausbaumen geht dann entsprechend umgekehrt.
Wird der Spi geborgen, gehen beide Spi-Bäume nach vorne und liegen - in
Ruhestellung - auf dem Vorderdeck.
In den Abbildungen (5-11)
zunächst Konzeption und Konstruktion ohne Deck: die provisorischen Spi-Bäume
sind übrigens Metall-Lochstangen aus einem alten Märklin-Metallbaukasten aus
meiner Jugendzeit (sehr praktisch, weil man verschiedene Abmessungen, Drehpunkte,
Holepunkte usw. so lange ausprobieren und variieren
kann, bis alles richtig funktioniert ...).
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Bild
11: |
Nach dem der Test im
Wohnzimmer mit den provisorischen Komponenten zu meiner Zufriedenheit
ausgefallen war, wurde alles an den richtigen Stellen befestigt und die
Elektrik verdrahtet. Dann wurde das Deck angefertigt und mit Beschlägen,
Kajüte, sowie einigen zusätzlichen "Wartungs-Luken" versehen. Die
Segel allerdings sind zunächst noch provisorisch geschnitten und geklebt, noch
nicht genäht. Nach der Jungfernfahrt könnten u.U. noch einige Änderungen im
Zuschnitt nötig sein, um eine eventuelle zu große Luv- oder Leegierigkeit
auszugleichen.
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Und dann ging es an einem
(jedenfalls für "Winter") warmen Tag im Januar 2014 zum ersten Mal an
den Teich, um abschließende Tests unter möglichst realistischen Bedingungen
durchzuführen. Eine echte Jungfernfahrt war es zwar noch nicht, aber was ich
noch in Erfahrung bringen wollte, dazu hat es gereicht.
Das "normale"
Segeln funktionierte, wie erhofft, recht gut. Das Boot spricht gut an und nimmt
- mit erstaunlich wenig Wellenbildung - recht schnell Fahrt auf. Zwar ein wenig
(zu) luvgierig, aber das läßt sich korrigieren, indem ich später das "richtige"
Großsegel etwas verkleinere. Erstaunlicherweise wird die Luvgierigkeit bei
eingerollter Fock / Genua nicht größer (eine physikalische Erklärung dafür habe
ich noch nicht ...).
Ich muß gestehen, dass ich
die Fläche des Ruders um ca. 50% vergrößert habe, weil ich dem Bauplan nicht so
ganz vertraute und bei gesetztem Spinnaker (der möglicherweise sehr nach Bb oder Stb zieht) noch ein wenig
Reserve in der Ruderwirkung haben wollte. Aber im Nachhinein denke ich, das
wäre gar nicht nötig gewesen. Jetzt macht das Boot immer einen kleinen
"Ruck", wenn das Ruder gelegt wird; wahrscheinlich werde ich bei
Gelegenheit doch noch ein Ruder nach Bauplan-Größe anfertigen.
Nun ging's daran, den
Spinnaker auszuprobieren.
Das Hochziehen klappte gut, in der Endposition spreizen sich beide Spi-Bäume
(durch die Feder-Vorspannung) halb-offen nach vorne und der Spi bläht sich bei
raumem Wind sofort gut auf. Spreizt man den jeweiligen Luv-Baum noch ein wenig
mehr, geht echt die Post ab ... Der Lee-Baum muß gar nicht unbedingt bis ganz
nach achtern aufs Deck gezogen werden, er kann auch (nicht ganz vorbildgetreu),
schräg nach vorne gerichtet, stehen bleiben ...
Allerdings kann so nur gesegelt werden, wenn der Wind fast exakt von achtern
kommt. Wenn dagegen der Lee-Baum ganz zurückgeklappt wird, läßt es sich auch
noch bei fast halbem Wind mit Spi segeln ...
Ein kleines Video von Jungfernfahrt und Spinnaker-Test bei YouTube:
http://www.youtube.com/watch?v=eLMCJ0VGoWM
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Zum Schluß
noch eine Anmerkung zum Namen für mein Boot: Baugrundlage war ja ein
"Tourendrachen", der allerdings in mancher Beziehung verändert worden
ist, so dass es eigentlich kein wirklicher Drachen, sondern nur noch ein
"Halbdrachen" ist.
Klar, dass das Boot darum "NEPUMUK" heißen muß. Wer von den Älteren
sich erinnert: Nepomuk war der liebenswerte Halbdrache in dem Buch von Michael
Ende bzw. in der Serie der "Augsburger Puppenkiste": "Jim Knopf
und die Wilde Dreizehn"

Uli Schramm